Zwei alte Freunde sitzen in einer Kneipe. Schon zu Studienzeiten waren sie gern hier. Immer auf dem Platz in der Ecke, direkt am Fenster.
Einer der beiden hat sich in Rage geredet: „Über was bitteschön kann man sich momentan freuen? Das neue Jahr hat grad erst begonnen und schon wieder ist es derselbe Trott wie immer. Eins sag ich dir: – “
Doch er kann seinen Satz nicht beenden. Denn plötzlich geht die Tür auf. Die beiden drehen sich unvermittelt in die Richtung, aus der die eisige Januarluft in den dämmrigen Schankraum dringt.
Der Herr, der nun den Raum betritt, passt nicht hierhin. Er trägt ein bunt kariertes Sakko und abgenutzte Cowboystiefel. Sein Haar ist verstrubbelt, eine lange Feder schmückt seinen Hut.
Der Fremde zieht eine Mundharmonika aus der Tasche. Gekonnt setzt er sie an die Lippen.
Die Melodie, die nun erklingt, ist nicht von dieser Welt.
Welch herrlicher Wohlklang, voll Wärme und Behaglichkeit! Ein tiefes Gefühl von „Hier bin ich richtig“ liegt im Raum. Ein himmlischer Glanz fällt auf alle Anwesenden, verscheucht ihnen die trüben Wintergedanken.
Als er fertig ist mit seinem Stück, dreht sich der Fremde um und steuert zielstrebig die Tür an. Genauso plötzlich, wie er aufgetaucht war, ist er wieder verschwunden.
Es dauert einige Augenblicke, bis die zwei Freunde wieder zu sich gekommen sind. Ihnen scheint, als ob sie für einige Zeit (wer weiß, wie lange?) ausgestiegen waren aus Raum und Zeit.
Langsam erhebt einer der beiden sein Glas gen Fenster, wo sich der Umriss des geheimnisvollen Fremden langsam im Licht der Straßenlaterne verliert: „Auf dich.“
Über dir geht auf der HERR und sein herrlicher Glanz scheint auf dich. (Jes 60,2b)
Jan Oliva