Seit einigen Tagen lese ich meinem jüngsten Enkelsohn aus Astrid Lindgrens Kinderbuch Tomte Tummetott vor. Tomte ist ein Wichtelzwerg aus dem hohen Norden. Niemand hat ihn je gesehen. Aber es gibt ihn. Immer wieder finden die Kinder am Morgen im Schnee Spuren seiner nächtlichen Besuche auf dem Bauernhof. Sobald es dunkel geworden ist, kommt Tomte aus seinem Versteck, huscht hierhin und dorthin: zu den Tieren im Stall, zum Hund draußen in der kalten Hütte und der Katze drinnen im Heu. Er schleicht sich auch in die Schlafkammern von Eltern und Kindern. Allen flüstert er Worte gegen Sorge und Angst zu: Viele Winter und viele Sommer sah ich kommen und gehen. Geduld nur, Geduld! Der Frühling ist nah. – Mein kleiner Enkel will die Geschichte jeden Abend neu hören. Auch mir tun die Wichtelworte gut, gerade jetzt, wo alle spüren, dass der Sommer vorbei ist und der Winter bevorsteht.
Vielen von uns wird in diesen Tagen bang. Werden wir demnächst frieren? Bleiben wir gesund? Reicht das Geld für Strom, Heizung, Zinsen und Miete? Und hinter dem allen lauert die Angst vor dem Krieg. Und vor den Folgen für das Klima der Erde.
Fragen dieser Art stellt in der Erzählung von Astrid Lindgren keiner. Aber auch dort kennt man die Angst im Dunkeln und die Furcht vor der Nacht. Auch dort weiß man von Kälte und Not, wenn das Feuer im Ofen erlischt. – Mich erinnern die Wichtelworte an die Geschichte von der Sintflut. Hatte Gott eben noch voll Entsetzen feststellen müssen: das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf - so lässt er nun den Regenbogen als Zeichen seiner bleibenden Treue zur Erde und seinen Geschöpfen aufleuchten; und er verspricht: solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. (1.Mose 8, 21.22)
Ich wünsche Ihnen und hoffe für uns alle, dass wir wohl behütet durch die Dunkelheit und Kälte der kommenden Wochen kommen; dass wir geduldig ertragen, was auch immer auf uns zukommt; und vor allem, dass wir nicht aufhören, dem treuen Gott zu vertrauen, der uns nicht im Stich lässt; der uns sucht und behütet, auch wenn wir ihn nicht sehen können.
Pastor Rainer Dinger
Pastor im Gastdienst in der Kirchengemeinde Landolfshausen